Das Totenbuch der Obdachlosen

Es gibt seit Ende Januar 09 eine Kooperation zwischen dem Obdachlosenheim Weimar und dem Boje e.V.. Von Januar bis Juni 2009 vervollständigten zwei bis drei Jugendliche der Arrestanstalt im Obdachlosenheim Weimar das Buch der verstorbenen Bewohner. Dazu wurden mit den noch lebenden Bewohnern des Heims Gespräche über die Verstorbenen geführt, darüber wie der Verstorbene wahrgenommen wurde, was er mochte, über seine ganz eigene Geschichte.

Im Totenbuch der Obdachlosen sind handschriftlich Erinnerungen an verstorbene Bewohner aufgeführt, damit sie nicht einfach so in Vergessenheit und „Nie da gewesen sein“ verpuffen. Das dient uns erstmal, in Kontakt mit den Bewohnern zu kommen. Es geht darum, den Jugendlichen einen Eindruck zu vermitteln vom Leben als Obdachlosem, um Mensch-Sein trotz Klischee-Vorstellungen, um das eigene Leben der Jugendlichen, die vielleicht auch mal hier landen. Dazu ist es gut, die Lebensgeschichten der verstorbenen oder noch lebenden Bewohner zu hören, um zu merken, dass es ganz menschliche Schicksalsschläge sind, die unter Umständen zu Obdachlosigkeit führen.

Die Jugendlichen kamen durch dieses Projekt unmittelbar mit einem sozialen Brennpunkt in Berührung und konnten so verstehen, dass hinter Klischees konkrete Menschenschicksale stehen und es häufig nur ein kleiner Schritt ist, um in einen Teufelskreislauf zu geraten.

Neunzig Prozent der Bewohner sind Alkoholiker, viele sterben relativ jung (zwischen 40-60 jährig). Das Leben im OLH ist vergleichbar mit Knast, weil man sich auch nur in diesem Rahmen bewegen kann und die Regeln kennt, die hier gelten, aber „draußen“ nicht (mehr) klar kommt. Für die Bewohner sind die „Saufkumpanen“ die Ersatzfamilie geworden, es bilden sich Beziehungen, Freundschaften, Feindschaften etc. Meist wollen die Menschen dann auch nicht mehr weg, wenn z.B. eine Pflegestufe im Pflegeheim erreicht wurde.
Der überwiegende Teil ist männlich, aber auch ganze Familien wohnen hier.
Wenn das „Totenbuch“ auf den aktuellen Stand gebracht ist, können wir den Garten nutzen für Arbeitseinsätze etc oder wir kochen mit den Bewohnern, um so im Gespräch zu bleiben.